Geschichte

Vom Kloster zum Schloss

Am Anfang standen der Glaube – und das nötige Kleingeld. Die Brüder Otkar und Adalbert, die anno 746 den Grundstein für das Kloster Tegernsee legten, galten als ebenso gottesfürchtig wie wohlhabend. Sie sorgten dafür, dass die Benediktinerabtei von Anfang das war, was der bayerische Klosterchronist später als „guat eing’säumt“ umschrieb: Quellen erzählen von umfangreichen Besitzungen im gesamten Gebiet zwischen Isar und Inn und sogar schon eigenen Weingärten in Südtirol. Daheim am See ermöglichte die wirtschaftliche Stärke des jungen Klosters den Beginn und Ausbau der Landwirtschaft, der Fischerei, des Handwerks, aber auch die künstlerische Entwicklung im Kloster selbst, etwa im Bereich der Buchmalerei und Glaskunst.

Kupferstich des Klosters, um 1640, Archiv des Erzbistums München und Freising

Königin Karoline und König Max I. Joseph von Bayern

Nach der Säkularisation verliebte sich eine Königin in den Tegernsee. Der bayerische Monarch Max I. Joseph und seine Gattin Karoline machten die ehemalige Benediktinerabtei zu ihrer Sommerresidenz, im Gefolge des Königshauses kamen sie alle – europäischer Hochadel, Künstler und Sommerfrischler, Schöne, Reiche und ganz Normale. Das einmalige Klima aus bewahrender Tradition und toleranter Offenheit prägt das Tegernseer Tal bis heute.

Im Vergleich zum Bräustüberl ein paar Türen weiter, in dem bekanntlich schon seit 1675 Bier ausgeschenkt wird, ist die Schlosswirtschaft ein junges Restaurant. Auf über fünf Jahrzehnte gastronomischer Weihen kann man aber auch hier zurückblicken. Exakt im Jahr 1969 entschied sich das herzogliche Haus, hier – quasi am Südende des Westflügels – ein weiteres brauereieigenes Lokal zu eröffnen. Die heutige Schlosswirtschaft (bei ihrer Gründung hieß sie noch „Schlosskeller“) war geboren!

Schlosskeller, historische Postkarte

Schloss Tegernsee als königliche Sommerresidenz, aus dem Bilderzyklus „Tegernsee und Umgebung“ nach der Natur gezeichnet von Franz Jaschke, 1827

Die Höhenlage des Restaurants lässt sich am ehestens als „Tiefparterre“ bezeichnen. Der Grund ist, dass hier aufgrund der Geländeneigung in Richtung See das Kellergeschoss des Schlosses an die Oberfläche tritt. Die Schlosswirtschaft ist somit zumindest teilweise, „überirdisch“. Der Tegernseer Kirchenhistoriker Dr. Roland Götz weiß auch von einem unterirdischen Verbindungsgang zwischen Bräustüberl und Schlosswirtschaft zu berichten …

Geschichte der Schlosswirtschaft

Äbte, König, grünes Malz

Fast 300 Jahre alt sind die Gewölbe der Schlosswirtschaft. Oben residierten früher Abt und König. Unten keimte bis in die 1960-er Jahre das Malz für die Tegernseer Brauerei. Heute können Gäste hier stilvoll-bayerisch essen und trinken.

Fast 300 Jahre alt sind die Gewölbe, unter denen heute die Gäste der Tegernseer Schlosswirtschaft sitzen. Sie gehören zum barocken Baukomplex des ehemaligen Benediktinerklosters Tegernsee. Dessen Geschichte reicht bis ins Frühmittelalter zurück und umfasst mehr als ein Jahrtausend. 1678 begann man, die gesamte Klosteranlage noch einmal neu zu errichten: ein großes Karree um die Klosterkirche, mit drei Stockwerken und einem unter allen Gebäudetrakten durchlaufenden Kellergeschoss.

Beim Trakt zwischen Kirche und See bewirkt das abfallende Gelände, dass der Keller eher ein Tiefparterre bildet. Und während der Keller der Klosterökonomie diente, hatte in den Obergeschossen der Abt von Tegernsee seine Wohn- und Repräsentationsräume. Den Grundstein legte am 25. Mai 1736 Abt Gregor I. Plaichshirn, ursprünglich ein Gastwirts-Sohn aus Dorfen, nun Vorsteher der bedeutendsten Abtei des Landes. 1742 konnte er seine neuen Räumlichkeiten beziehen. Fortan empfing er hier zu entsprechenden Anlässen (etwa der 1.000-Jahr-Feier des Klosters 1746) hochgestellte Gäste – unter Rokoko-Stuck und mit schönster Aussicht auf See und Berge.

Mit der Aufhebung aller Klöster durch den Staat 1803 endete die Geschichte der Benediktiner in Tegernsee. Die Klosteranlage wurde zu Gunsten der Staatskasse versteigert. Eine neue Epoche begann für das Tegernseer Tal, als Bayerns erster König Max I. Joseph und Königin Karoline sich in die herrliche Landschaft verliebten, 1817 das Gebäude kauften und hier ein Sommerschloss einrichteten. Das machte das Tal berühmt, führte zahlreiche gekrönte Gäste hierher und markierte so den Beginn des Fremdenverkehrs. Die repräsentativen Räume der früheren Abtei nutzen fortan natürlich König und Königin.

Unter königlicher Regie wurde auch die Tradition der ehemaligen Klosterbrauerei weitergeführt. Ihr „Herz“, das Sudhaus, lag zwar seit jeher nördlich der Kirche, für die Erzeugung einer zentralen Zutat benötigte man aber auch den Keller unterhalb der herrschaftlichen Räume: Um aus Gerstenkörnern Malz zu machen, weicht man sie zuerst zwei Tage lang ein. Dann breitet man sie auf glattem Untergrund aus, damit sie bei genau geregelter Temperatur und Feuchtigkeit zu keimen beginnen, so dass innerhalb von etwa fünf Tagen die enthaltenen Kohlehydrate und Proteine in Zucker und Aminosäuren umgewandelt werden. Genau das passierte auf den großen Bodenplatten aus Solnhofer Kalkstein, die heute noch im Eingangsbereich der Schlosswirtschaft zu sehen sind. Anschließend transportierte man das „Grünmalz“ durch einen ebenfalls noch erhaltenen Gang unter der Kirche hindurch zur Weiterverarbeitung auf die Nordseite.

Bis in die 1960-er Jahre stellte die Tegernseer Brauerei ihr Malz auf diese handwerkliche Weise noch selber her. Dann wurde die ehemalige Mälzerei umgebaut und 1969 dort der „Schlosskeller“ als Lokal eröffnet – Vorläufer der heutigen Schlosswirtschaft.

Roland Götz

Lithographie von Franz Xaver Nachtmann, gedruckt bei Th. Kammerer, um 1830